Das ist wohl der lahmste Titel seit langem, aber egal. Der eine oder andere hat vielleicht mitbekommen, dass Benjamin Rüegg für seine Blog-Suchmaschine kurzzeitig meine OPML-Datei verwendet hat.
Ich war wegen dieser Geschichte sicher gestern etwas überreizt, als ich das hier bei Claudio Schwarz gelesen habe und blogtrends.ch ein privates Mail geschrieben habe in dem ich gefragt habe, ob er diesen Blog bei mir abgeschrieben hat. Mir kam die Frage zu dem Zeitpunkt ziemlich harmlos und durchaus berechtigt vor, aber da war er wohl anderer Ansicht. Jedenfalls hat er mein privates Mail flugs publiziert.
Darauf gab es einen mehr oder weniger erfreulichen E-Mail und -Kommentarwechsel. Und schliesslich haben Lästermaul und sis die Geschichte aufgegriffen (Benny auch, aber der Beitrag ist offenbar gerade gelöscht worden?).
Und ich stelle fest: Da besteht Erklärungsbedarf. Offenbar sind einige Leute der Ansicht, Blogs sind doch bloss virtuell, es sind ja nur Adressen, die gehören doch niemandem (oder nur den Bloggern selbst), also weshalb die ganze Aufregung?
Ich will versuchen zu erklären, worum es mir geht. Ob es mir gelingt, weiss ich nicht; es ist spät, und ich bin müde. Aber was soll’s, ist nicht das erste Mal, dass ich wegen blog.ch spät ins Bett gehe. Und nicht verstanden zu werden, bin ich auch gewohnt; ich habe Kinder.
Anyway, here goes:
Ich habe unzählige Stunden, Tage und Nächte in blog.ch gesteckt. Ich habe blog.ch entwickelt. Neue Ideen realisiert. Weiterentwickelt. Programmiert, bis das Hirn raucht. Ich habe Code geschrieben, in die Tonne geworfen, Fehler eliminiert, geflucht und schliesslich gegrinst, wenn ein neues Feature frühmorgens endlich funktionierte.
Ich bin, vor allem im ersten Jahr, stundenlang im Internet unterwegs gewesen, nur um ein paar Schweizer Blogs zusammenzukratzen. Auch bei den Anmeldungen musste ich immer kurz abchecken, gab ja genügend Spassvögel, die Sex-Sites oder anderen fragwürdigen Mist angemeldet haben. Legitimer Blog, oder nur Spam? Schweizer Blog, nicht Schweizer Blog? Diese Unterscheidung ist gar nicht immer so einfach, verdammt nochmal. Ich konnte ja nicht einfach auf blog.ch gehen und dort ein paar Schweizer Blogs für mein eigenes Blogverzeichnis abgreifen.
Und ich habe in der gesamten Schweizer Blogosphäre Kontakte geknüpft, einige Bloggertreffen organisiert oder dafür auf meiner Site geworben, die Leute motiviert selber zu bloggen, immer wieder auf interessante Schweizer Blogs hingewiesen, über die Schweizer und die internationale Blogosphäre geschrieben, auch international Kontakte geknüpft. Nicht zuletzt habe ich mit blog.ch der Schweizer Blogosphäre eine Anlaufstelle und eine Stimme gegeben.
Kurz: In der Site steckt verdammt viel Herzblut. Wer jemals viel Energie, Liebe und Arbeit in etwas investiert hat, der weiss, was blog.ch für mich bedeutet und kann sich ungefähr vorstellen wie ich mich fühlen muss, wenn jetzt jemand daherkommt und meine Arbeit als “Grundstock“, für seinen eigenen Aggregator verwendet. Es ist schockierend und verletzend. Das nimmt mir zwei Jahre Arbeit weg. Ich fühle mich missbraucht und ausgenützt.
Benny hat das zum Glück verstanden und freundlicherweise die von mir übernommenen Blogs wieder gelöscht, ohne dass ich härtere Geschütze auffahren musste. Damit ist die Sache erledigt, und ich wünsche ihm viel Erfolg und viele neue Anmeldungen auf slug.ch. Aber blogtrends findet es offenbar lustig, mir dasselbe anzudrohen. Haha. Selten so gelacht.
Auch wenn jemand nur ein paar Blogs bei mir abschreibt, wie blogtrends das zuerst bestreitet und dann doch plötzlich bestätigt, profitiert er ohne eigene Leistung von meiner Arbeit. Ob die anderen Blog-Verzeichnisse auch bei mir abgeschrieben haben, weiss ich nicht und will es vielleicht auch gar nicht wissen.
Kurz: Es geht mir nicht nur um einzelne Blogs, die mir jemand abschreibt. Es geht auch nicht nur um die Blogs, die in meiner Datenbank stecken und das ganze Kapital darstellen, das blog.ch besitzt und welches andere als Startkapital für ihr Konkurrenzunternehmen verwenden wollen. Es geht auch darum, aber nicht nur. Sondern auch um die Arbeit, die hinter blog.ch steckt.
Es gibt sehr viele Bloggerinnen und Blogger, die diese Arbeit anerkennen, mir E-Mails schicken oder Kommentare schreiben, positives Feedback und konstruktive Kritik geben; euch allen danke ich herzlich. Für euch ist blog.ch da.
Aber es gibt eben leider auch andere.
Um es mit den Worten von Nico Lumma zu sagen, dem seinerzeit rund 25’000 Blogs geklaut wurden:
Wer eine eigene Blog-Suchmaschine betreiben will, muss genauso verfahren und nicht einfach anderer Leute Arbeit dreist kopieren.
Andere Meinungen?
6 Comments
Hallo Martin,
Meinen Beitrag habe ich soeben gelöscht, weil ich mich eigentlich aus dieser ganzen Diskussion die da zur Zeit läuft raushalten will. Ich denke wir zwei konnten diese Angelegenheit innert weniger Stunden per E-Mail klären und verstehen uns wieder. Trotzdem sollte es doch irgendwie möglich sein, dass es mehrere Aggregatoren in der Schweiz geben kann (blogtrends, blog.ch, slug.ch, swissblogs.com usw.) – ohne sich ständig darüber zu streiten, wer nun jetzt einen bestimmten Blog zuerst im Verzeichnis hatte (siehe Diskussion auf dem Blog von Leu).
Gruss,
Benny
Das ist das erste Mal, dass ich in der Schweizer Blogosphäre einen BlogCodex für sinnvoll und nötig erachte. Regel Nr. 6 von Fair Blogging lautet:
Auf Sammlungen von URLs, die nur durch eine erhebliche Leistung zustande kommen, wie Matthias treffend erläutert hat, trifft das ebenfalls zu. D.h., ich kann durchaus einzelne Adressen aus einer Sammlung übernehmen, wenn ich die Quelle deklariere. Will ich die komplette Sammlung übernehmen, brauche ich auf jeden Fall die Einwilligung des ursprünglichen Sammlers (und je nach Verwendungszweck auch die Einwilligung der InhaberInnen gesammelten Blogs). Aber das gebietet eigentlich schon der gesunde Menschenverstand, oder nicht?
Nachdem ich gestern (irrwitzigerweise!) noch ein persönliches Blog gestartet habe und dies da und dort angemeldet habe, habe ich zum ersten Mal von dieser Geschichte gehört.
Ich kann und will nicht beurteilen, wer jetzt nun bei wem sich auf welche Art und Weise auch immer Blogadressen abgeschrieben hat.
Für mich, als Nur-es-bitzeli-Blogosphäre-Insider, ist blog.ch die Tankstelle schlechthin. Das liegt nicht nur an der tollen URL, sondern auch am Engagement von Matthias. Das kann ich zwar nicht sehen und auch nicht beurteilen. Aber spüren!
Und deshalb kann ich deine Argumentation, Matthias, sehr gut verstehen! Die eine Arbeit tut man für Geld, viele andere Arbeit aus Spass und in der Hoffnung, dafür Anerkennung zu bekommen.
Nota bene:
1) Wie viel Herzblut andere in ihre Blogsammelplätze investieren, kann ich nicht beurteilen.
2) Ich kann gleichzeitig verstehen, dass andere auch Lust haben, eine Blogplattform aufzubauen.
3) Ich masse mir nicht an, darüber zu urteilen, wer dies mit legalen und moralisch vertretbaren Methoden tut.
Versteh mich nicht falsch, Matthias – ich benutze nicht einmal einen Feed-Reader, um andere Blogs zu lesen. Wenn ich ein wenig Zeit habe, schaue ich auf verteilt auf den Tag mehrmals auf blog.ch, was dort so abgeht. Und vielleicht wöchentlich in anderen Aggregatoren. Ich mag blog.ch. Ã?”brigens habe ich selbst Claudio Schwarz’ Blog in den Kommentaren bei Stefan Buchers altem Pivot-Blog entdeckt, bevor der Feed bei Dir auf blog.ch auftauchte. Wie ging das Stichwort: “auch ein blindes (…)”, na ich weiss nicht mehr.
Mittlerweile gibt es halt schon einige “gebrauchsfertige” Aggregator-Scripts. Ich bin kein Programmierer und habe deshalb keine Ahnung, welche Mühen Du auf Dich nehmen musstest, um blog.ch zum Laufen zu bringen. Bin aber froh, hast Du es geschafft. Du hast natürlich recht, wenn der einzige, vieldiskutierte Mehrwert anderer Aggregatoren auf der Generierung von Klicks besteht (was man bei gewissen Persönlichkeiten annehmen kann), dann braucht es keine weiteren Aggregatoren. Wenn sich jemand aber thematisch festlegt, dann halte ich es schon für sinnvoll. Denn bei blog.ch gibt es ja keine thematischen Kategorien (ich kann z.B. nicht nur “Medien beobachtende” Schweizer Blogs anzeigen lassen).
oja, auch ich hab ne Meinung dazu
http://litart.twoday.net/stories/1254516/
Matthias, unter was für einer Lizenz ist denn deine OPML Datei im Netz? Such dir doch die für dich passende Creative Commons Lizenz und stell das File darunter. Dann ist es für alle klar und ersichtlich, was man damit machen darf: weiterverwenden z.B. unter nennung der Quelle und keine kommerzielle… Oder hab ich etwas falsch verstanden? Es geht ja schliesslich um das Urheberrecht an deiner OPML Datei. Und dieses Recht liegt grundsätzlich bei dir.
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Aggregator-Agressionen
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[…] oh nein, was haben “wir” da bloss losgetreten? wie es scheint ist die schweizer bloggerszene aus ihrem dornröschenschlaf aufgewacht. die ganzen top-100 listen und aggregatoren gärtchen-kämpfe zeigen auf, dass die schweizer blogger szene kompetitiv geworden ist. und ich sage “wir”, weil ich mich als mitorganisator des swiss blog awards frage, ob auch unser projekt zu dieser entwicklung beigetragen hat. […]