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Kommerzblogger: Mangelhafte Selbstsicherheit

Ich wurde auch von trigami angefragt, ob ich einen Beitrag über Exsila schreiben will; mir wurden 100.- angeboten. Ich habe abgesagt, weil mich DVDs nicht interessieren (IMHO ist das ein Medium von vorgestern) und mir ein lukrativeres Geschäft vorschwebte: Ich habe vorgeschlagen, für 500.- über Trigami, Exsila und das Konzept des PayPerPost an und für sich zu schreiben. Leider konnten wir uns nicht über den Preis einigen. Weil trigami abgewinkt hat, ist der eigentlich schon vorher geplante trigami-Kommerzbloggen-Beitrag in der Prioritätenliste dann ganz weit nach hinten gerutscht, ich habe ihn schliesslich nicht geschrieben und mich stattdessen mit anderen Beiträgen unterhalten.

Seien wir also ehrlich: Man ist nie ganz frei, wenn man einen Auftraggeber hat. Erstens wird vom Auftraggeber das Thema vorgegeben. Und zweitens wird man einen Beitrag schreiben, der den Kunden gut aussehen lässt. Ich hätte sicherlich etwas Kritik eingebaut, weil ein Beitrag mit Kritik gleich viel unabhängiger, glaubwürdiger und authentischer aussieht, aber der Grundtenor wäre freundlich gewesen.

Schliesslich werde ich für meine Meinungsäusserung bezahlt. Da muss man sich nichts vormachen. Die zwei Exsila-Blogger machen sich aber dummerweise etwas vor: Es wird erklärt, der Beitrag sei zwar bezahlt, entspreche aber trotzdem der eigenen Meinung; es wird argumentiert, man hätte ohnehin darüber geschrieben; allenthalben wird abwiegelnd von “Experiment” geschrieben; es folgen in beiden Blogs wortreiche Erklärungen und Begründungen, weshalb man ja eigentlich das gute Recht hat, mit Bloggen Geld zu verdienen; plötzlich erscheint im einen Blog eine englische disclosure policy; der kritische Sonntagszeitungs-Artikel wird von beiden Bloggern und auch von trigami angegriffen; man klopft sich gegenseitig auf die Schulter und bestätigt sich mehrfach, dass doch alles völlig in Ordnung ist.

Deutliche Zeichen dafür, dass den zwei Autoren (und auch trigami) bei der Sache eben doch nicht so ganz wohl ist. Dass sie die äusseren Bedingungen, die das Bezahlbloggen mit sich bringt, nicht überdacht haben. Dass sie selbst eben doch nicht so ganz daran glauben, dass bezahlte Beiträge völlig in Ordnung sind; dass sie doch irgendwie Angst davor haben, korrupt zu sein.

Wenn die Kommerzblogger aber selbst nicht an sich glauben, dann wird ihnen auch das Publikum nicht glauben. Und das wiederum ist fatal für den zahlenden Kunden: Das beworbene Produkt wird mit Unehrlichkeit, Unglaubwürdigkeit und Unsicherheit in Verbindung gebracht.

Das kann wohl kaum Sinn der Sache sein. Die Schwierigkeit beim bezahlten Bloggen ist also, dass es nicht wie in anderen Werbeträgern nur um die Reichweite geht, sondern auch um die Integrität der beteiligten Blogger: Man muss Blogger finden, die sich nicht winden wie ein Kind, das mit der Hand in der Keksdose erwischt wird. Man braucht Blogger, die selbstbewusst genug sind, unumwunden dazu zu stehen, dass sie einen Preis haben und dass ihre Meinungsäusserungen käuflich sind. Da muss noch gewaltig nachgebessert werden, und dann klappt’s vielleicht auch mit der Glaubwürdigkeit.

Interessant finde ich übrigens, dass von den gemäss Sonntagszeitung-Artikel fünfzig angefragten Bloggern lediglich zwei sich überreden liessen, etwas zu schreiben. Weshalb habt ihr anderen alle abgelehnt? Wurde euch zuwenig Geld geboten, oder gab es andere Gründe?

4 Comments

  1. Remo Uherek wrote:

    Lieber Matthias

    Vielen Dank für Deine Meinung.

    Es gibt zweifelsohne noch viel zu verbessern. Z.B. sollte die Kennzeichnung bezahlter Beiträge klarer und besser sichtbar sein; oder offene Fragen und Unklarheiten sollten in einer FAQ thematisiert werden.

    Was könnte man Deiner Meinung nach sonst noch verbessern? Braucht es z.B. eine separate Kategorie für bezahlte Meinungen? Sollten bezahlte Beiträge mit einer speziellen Farbe hinterlegt/gekennzeichnet sein? Sollte es einen Alternativ-Feed ohne bezahlte Beiträge geben?

    Über konstruktive Ideen würde ich mich freuen. Wir möchten die Blogosphäre nicht korrumpieren, sondern ein sinnvolles, funktionierendes und nachhaltiges Geschäftsmodell für Blogs entwickeln. Dass zahlreiche Blogger Geld verdienen wollen und Werbung nicht abgeneigt sind, zeigt ausserdem die Popularität von AdSense, Text-Link-Ads, Linklift und Co.

    Gruss, Remo

    PS: Wir haben nicht 50, sondern exakt 13 Blogger kontaktiert. Die genaue Zahl kontaktierter Blogger habe ich Herrn Skinner nie offengelegt (sondern tue das jetzt zum ersten Mal). Von diesen 13 Bloggern haben 5 nie geantwortet, 6 haben abgesagt und bekanntlich 2 zugesagt. Weitere Details veröffentliche ich aus Datenschutzgründen nicht. Wenn jemand mag, kann er die 13 Blogger gerne selbst recherchieren ;-).

    Wednesday, December 27, 2006 at 13:18 | Permalink
  2. Fredy wrote:

    Ich bin einer der sechs, die absagten. Und zwar schlicht und ergreifend aus Zeitmangel.

    Wednesday, December 27, 2006 at 13:50 | Permalink
  3. Ivo Gasser wrote:

    Ich konnte weder absagen noch annhemen, da ich nicht angefragt wurde. Der Grund wieso ich mich hier kurz zu Wort melde ist einzig der, dass ich Deine Ausführungen sehr interessant fand.

    Thursday, December 28, 2006 at 10:09 | Permalink
  4. Matthias wrote:

    @Remo, das ganze formalistische Zeug ist zwar notwendig, aber letztendlich nicht Matchentscheidend. Meine Verbesserungsvorschläge stehen im zweitletzten Absatz des Beitrags.

    Bzgl. “Werbung nicht abgeneigt”: Für jeden Blogger und auch Besucher ist die Schmerzgrenze bzgl. Werbung anderswo angesiedelt; manche haben mit bezahlten undeklarierten Beiträgen kein Problem, während anderen schon bei diskreten Textads die Galle hochkommt. Das ist das Umfeld, in dem man sich zurechtfinden muss.

    Danke übrigens für die Zahlen. Ist doch lustig, dass ein Blogkommentar exaktere Infos zu bieten hat als ein Zeitungsartikel.

    @Fredy, keine Zeit um Geld zu verdienen… dieses Problem möchte ich auch mal haben :-).

    @Ivo, danke!

    Friday, December 29, 2006 at 09:08 | Permalink

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  1. » , Blogpiloten.de - Weblog Update Weekly on Thursday, December 28, 2006 at 11:58

    […]   52   Blackbox WWW         12:58 | Dez 28’06   Auch in der deutschsprachigen Blogszene sorgt das Thema Pay per Post – also das bezahlte Schreiben über Firmen – für Diskussionsstoff. So startete erst vor Kurzem der Anbieter trigami mit eben diesem Konzept und fahndete jüngst nach ersten bereitwilligen Bloggern. Mit den Weblogs BloggingTom und Leumund fand man zwei Blogger, die sich für Geld bereit erklärten über ein Produkt zu schreiben. Es gibt also nicht nur kritische Stimmen, sondern auch dankbare Abnehmer. […]