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Bluewin sucht die Superblogger-Deppen

Nicht besonders neu und an Überheblichkeit kaum zu überbieten, was sich Bluewin da einfallen lässt:

Wenn Sie nicht nur für sich und Ihren engsten Freundeskreis bloggen möchten, sondern etwas zu sagen haben, das auch gelesen werden soll, dann haben Sie jetzt Gelegenheit, mit Ihrem eigenen Blog etwas zum redaktionellen Teil des Bluewin-Portals beizutragen.

Bluewin glaubt also wirklich, dass all diese Blogs da draussen ohne Bluewin kein Publikum haben. Buäh. Schon mal ein Arschtritt für alle Blogger. Aber es geht weiter:

Vorausgesetzt werden:
– die Bereitschaft, während 6 Monaten jede Woche mindestens 2-3 Beiträge im Weblog zu veröffentlichen.
– eine verbindliche Erklärung, dass nur selbst verfasste und bisher unveröffentlichte Inhalte geliefert werden.
– Erteilung des exklusiven Nutzungsrechts für die im Weblog veröffentlichten Beiträge an Swisscom Fixnet AG.

Zwei bis drei Beiträge pro Woche, das ist für viele Blogger schon das Normalpensum; es würde also keine Zeit für den eigenen Blog übrigbleiben. Schlecht.

Und Exklusivrechte? Das heisst, dass die Swisscom Fixnet AG alle Blogtexte auf ihren Webseiten, in Werbekampagnen, Broschüren, Büchern, Zeitschriften und sonstwo verwursteln kann – möglicherweise sogar noch Geld dafür kassiert – die Autoren aber, also ich und du, keinen Rappen dafür bekommen und ihre Texte selber nirgendwo publizieren oder sonst verwerten dürfen, ohne eine Klage der Swisscom Fixnet AG zu riskieren. Ziemlich happige Bedingungen.
Aber dafür gibt’s doch sicher eine substanzielle Entschädigung?

Als Gegenleistung erhalten Sie – sofern die Redaktion dem zustimmt – einen Platz in der zum Thema passenden Rubrik des Bluewin-Portals, das heisst, ihr Blog wird von vielen Leuten gelesen.

Mit anderen Worten: Wer dumm genug ist, seine Inhalte und sämtliche Rechte daran gratis und franko der nicht gerade armen Swisscom Fixnet AG zu überlassen, dem genügt auch die vage Zusage, dass das dann schon irgendwer lesen wird. Noch nicht einmal ein Gegenlink auf den eigenen Blog wird angeboten. Offenbar sind Blogs nichts Wert, deshalb muss man dafür auch nichts zahlen. Aber davon profitieren will man trotzdem.

Im Prinzip ist das ganz einfach Blogsklaverei.
Ein ganz schlechter Deal also – der für beide Seiten nicht aufgeht: Weil auf sowas nur Autoren eingehen, die sich nicht zutrauen mit ihrer Arbeit Geld zu verdienen, oder die darauf spekulieren, mit einem Minimum an Aufwand (bei der miesen Entschädigung liegt schliesslich nicht mehr drin, gell?) möglichst viel für sich selbst rauszuholen. Sowas kann einfach nicht funktionieren. Und hat schon einmal nicht funktioniert, was die Bluewin-Leute aber vermutlich verpasst haben: Der “Blick” hat damals für die “Blogalisierung”- und “Blogstetten” Texter nicht viel mehr, aber doch immerhin ein bisschen mehr Gegenleistung geboten (man konnte z.B. nach Herzenslust Werbung für den eigenen Blog machen, was die meisten auch getan haben). Auch dort ist’s in die Hosen gegangen: Den unterbezahlten und sichtlich unmotivierten Bloggern ist es nicht gelungen, die gewünschten Besucherzahlen zu erzielen, worauf sie noch weniger Bock hatten und noch weniger gescheite Beiträge ablieferten, worauf die ganze Misere dann spät, aber immerhin, gestoppt wurde.

Nee Leute, so funktioniert das einfach nicht mit dem user generated content.
Es gibt aus meiner Sicht nur eine Lösung: Ihr bietet den Bloggern einen üblichen Vertrag über ihre Leistungen an, mit anständiger Entschädigung und normalen Regelungen bzgl. Verwertungsrechten.

Denn auch hier gilt: You get what you pay for.

10 Comments

  1. rafael wrote:

    Hab ich auch gesehen. Und mich auch gefragt, welche totaldepp bei sowas mitmachen würde, und dann noch bei der Firma. Nöööö kööönnen wir verzichten!!!

    Tuesday, December 5, 2006 at 17:38 | Permalink
  2. Gris-Gris wrote:

    @rafael
    Schlagartig hast du eine von vielen, vielen Surferinnen und Sufern besuchte Plattform – etwas, das du auch nach vielen, vielen Jahrzehnten des Vor-dich-hin-Bloggens nicht erreichst, wie gut du auch immer bist…

    … nun kannst du deine Magie entfalten und als neuer Star am helvetischen Bloghimmel aufleuchten.

    So einfach ist das. An deiner Stelle würde ich mich melden.

    Tuesday, December 5, 2006 at 19:08 | Permalink
  3. Gris-Gris wrote:

    Noch ein Nachtrag, weil ich es erst gesehen habe: “sklaverei” als Tag ist Unfug – aus historischer Sicht und noch vielen weiteren Sichten. Lohnsklaverei i.S. Marx ist es auch nicht… Oder?

    Zum praktischen Teil:
    (1) Für ältere Augen ist die Schrift zu klein; Grau ist ein Artdirektoren-Furz.

    (2) Gravatars gibt es nicht mehr – schade! War lustig.

    (3) Trackback gibt es nicht mehr. Oder ich seh es nicht. Ich weiss, die Tendenz dazu besteht bei den Amis. Ist falsch.

    (4) Benachrichtigungsfunktion bei neuem Comment? Wo muss ich klicken, damit das geht?

    Tuesday, December 5, 2006 at 19:33 | Permalink
  4. Gris-Gris wrote:

    Trackback-Funktion habe ich gesehen. Danke Yoda!

    Tuesday, December 5, 2006 at 19:48 | Permalink
  5. Matthias wrote:

    @rafael: Ich persönlich habe gute Erfahrungen mit der Firma gemacht. Deshalb nervt mich diese Geringschätzung uns Bloggern gegenüber wohl besonders. Ich hätte eigentlich etwas anderes erwartet.

    Tuesday, December 5, 2006 at 21:43 | Permalink
  6. bugsierer wrote:

    der hammer, was die aufführen. manchmal verwundert man sich, wie dilletantisch die grossfirmen mit dem phänomen blogs umgehen.

    Tuesday, December 5, 2006 at 22:05 | Permalink
  7. Gris-Gris wrote:

    @bugsierer
    “…wie dilletantisch die grossfirmen mit dem phänomen blogs umgehen” – exacto. 5 Deppen in der Marketinabteilung einsparen und eine gute Frau einkaufen (zahlen = 4 x Lohn der 5 Deppen). Alles wäre geritzt und 1 Deppenlohn eingespart.

    Tuesday, December 5, 2006 at 23:59 | Permalink
  8. Gris-Gris wrote:

    Nein, 1 Frau = 4 x Deppenlohn. So geht’s.

    Wednesday, December 6, 2006 at 00:00 | Permalink
  9. Edgar wrote:

    Ja ihr armen Blogger habts schon schwer. Da schreibt ihr im Angesicht eures Schweisses tiefschürfende philosophische Essays, kritisiert geschickt und hintergründig die Politik und prangert das Fehlverhalten der bösartigen Exmonopolisten und das alles auch noch öffentlich. Und dann so etwas. Also wie kann man Bluewin diesen Fehltritt nur jemals verzeihen?
    Oh mein Gott ihr nehmt euch selbst ja sowas von ernst und denkt, jeder von euch “Bloggern” sei ein grossartiger Schriftsteller. Ich muss Thomas absolut recht geben und kann nur sagen, dass ihr eure Rolle in der Welt des elektronischen Gedankenaustausches und der Onlinephilosophie gewaltig überschätz.

    Sorry Leute, ihr seid einfach nicht ernst zu nehmen….

    Tuesday, February 13, 2007 at 15:17 | Permalink
  10. Matthias wrote:

    Hier hat kein Thomas kommentiert. Ich glaub du bist im falschen Blog.

    Tuesday, February 13, 2007 at 15:46 | Permalink

7 Trackbacks/Pingbacks

  1. Yoda’s Blog » Blog Archive » Proletarier-Blog on Tuesday, December 5, 2006 at 19:27

    […] Tom und Matthias haben das Thema nebst vielen andern Blogger-Menschen schon aufgegriffen und hinterfragt beziehungsweise beanstandet, was da Bluewin anbietet. Eine Frechheit sondergleichen! Vorausgesetzt werden: […]

  2. Paperholic on Tuesday, December 5, 2006 at 21:27

    Schweiz: Bluewin sucht ‘die Superblogger’…

    Heute Dienstag war Tag der Freiwilligenarbeit. In der Schweiz haben zwei Drittel der über 15-jährigen Erfahrungen damit. Man schätzt, dass es 4.2 Millionen Freiwilllige am Fusse des Matterhorns gibt.Auch Bluewin – eine Servicemarke der Swisscom Fi…

  3. […] News and developments in the Swiss Blogosphere « Bluewin sucht die Superblogger-Deppen […]

  4. […] Soeben habe ich erst mal gelacht und festgestellt, dass zurecht ein Sturm der Entrüstung durch die Schweizer Blogosphäre geht. Das Angebot von Bluewin auf der Suche nach dem Schweizer Superblogger ist so grotesk, dass ich spontan erst mal gelacht habe. “Unique Content is King” auf dem Internet und hunderte von guten Content-Schreibern verdienen hervorragend auf den Outsourcing-Plattformen wie Elance. In diesen Zeiten will Bluewin Gratisblogger anziehen, die für sie auf Bluewin-Themenblogs bloggen. Einziger Lohn ist der zweifelhafte Ruhm, eventuell auf dem Bluewin-Portal präsent zu sein. Das blue Blog listet als Voraussetzung unter anderem “eine verbindliche Erklärung, dass nur selbst verfasste und bisher unveröffentlichte Inhalte geliefert werden” und “Erteilung des exklusiven Nutzungsrechts für die im Weblog veröffentlichten Beiträge an Swisscom Fixnet AG”. Das heisst der mühsam erstellte Unique Content gehört Swisscom exklusiv, gratis und franko. […]

  5. nachhaltigBeobachtet on Thursday, December 7, 2006 at 13:29

    Seele verkauft…

    Was an anderer Stelle (oder hier und hier) gar nicht gerne gesehen wird, habe ich jetzt trotzdem getan: bin dem Aufruf unseres ungeliebten Exmonopolisten gefolgt, bei ihm einen Blog zu eröffnen und a ……

  6. Die Blogdenunzianten » Blog Archive » Nachlese Woche #49 on Sunday, December 10, 2006 at 18:47

    […] Über das Bloggen bloggen Für ein bisschen Aufregung (auch bekannt als Unterhaltung) sorgte Bluewins Ankündigung, sie suchten den «Superblogger». Die Blogger liessen sich aber nicht durch Bluewin verführen, heisst es beispielsweise beim Metablog und bei Yoda, sondern pochten auf «Eigenständigkeit». Ein uns nicht näher bekannter Thomas konterkarierte treffend, dass «[sich die Blogger] selber etwas zu ernst nehmt». Und pointierte; «bei all dem Unsinn der in langweiligen Blogs festgehalten wird[,] könnte Bluewin zumindest eine Qualitätskontrolle einführen.» Unser Kommentar wird dadurch erübrigt. […]

  7. Swiss Metablog » Readers Edition: REal-Satire on Tuesday, January 30, 2007 at 14:53

    […] Bei Freiwilligenarbeit sind solche Bedingungen völlig unrealistisch – zumal nachdem all jene, die vorher freiwillig gearbeitet haben, auf derart rüde Art herausgeschmissen werden. Irgendwie scheinen manche Leute einfach nicht begreifen zu wollen, dass Leistung und Gegenleistung in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen müssen. Naja, bei bluewin sieht das ja auch nicht anders aus. […]