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Blogger als Medienkritiker?

Roger fragt:

Wie reif ist die heutige Medienkritik der Blogger und könnte sie allenfalls die anscheinend fehlende Medienkritik der traditionnellen Medien ersetzen?

Zu diesem Themenbereich gab es in den USA kürzlich eine Konferenz: Blogging, Journalism & Credibility[1]. Sie stand von Anfang an unter einem schlechten Stern, weil die Konferenz nur für geladene Gäste vorgesehen war, kaum Blogger eingeladen wurden, und im Vorfeld von einer der geladenen Teilnehmerinnen eine peinliche Schlammschlacht um angeblich gekaufte Polit-Blogger losgetreten wurde (Zusammenfassung und weiterführende Links:[2]).

Unabhängigkeit in der Medienlandschaft ist längst ein Mythos, und die Medienkonzentration schreitet laufend voran [3],[4]. Wer aber jetzt ausgerechnet von Blogs unabhängige Informationen erwartet, wird enttäuscht sein: Die unschuldigen Blog-Zeiten sind längst vorbei. Jeder, der ein kleines bisschen Einfluss gewonnen hat, versucht damit Geld zu verdienen [5]. Viele einflussreiche Blogger (z.B. Scoble) sind Sprachrohre ihrer Firma. Auch kommerzielle Blogs (z.B. Gawker Media) gewinnen im Meinungs-Markt an Bedeutung.

Auch im Software-Markt findet eine schleichende Monopolisierung statt. Einige wenige grosse Firmen dominieren das Geschäft. Google und Microsoft sind ein schönes Beispiel: Sie beherrschen jetzt schon grosse Teile der Informationslandschaft, und mit der Akquirierung von Blogger durch Google bzw. der Eröffnung von MSN Spaces haben sie auch in der Blog-Welt Fuss gefasst. Bei den reinen Blog-Companies sieht’s nicht anders aus: Kürzlich hat ja SixApart LiveJournal gekauft. Es gibt also eine Handvoll wirklich grosse Blog-Firmen, und dann einen ganzen Haufen Kleine mit unbedeutendem Marktanteil.

Auch die Entdeckung der Blogs durch die Hochfinanz [6], die zunehmende Monetarisierung [7], hat der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit von Blogs längst grossen Schaden zufügen. Aber einige Leute werden stinkreich dabei. Wie Kapuscinski (hier über Medien allgemein) schreibt: “news is a commodity, whose sale and distribution can generate large profits” [8]. Da sind Blogs keine Ausnahme.

Meine Meinung: Blogs sind bereits -mit allen Konsequenzen- Teil der marktwirtschaflichen Medienlandschaft und damit Teil des Problems. Ausgerechnet von Blogs eine Medienkritik zu erwarten, die mehr leistet als die traditionellen Medien, ist deshalb unrealistisch.

[1] http://cyber.law.harvard.edu/webcred/
[2] http://www.gutfeldt.ch/matthias/blog/singleblog.php?entry=1105987563
[3] http://mondediplo.com/2001/08/04press
[4] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/14/14808/1.html
[5] http://www.bokardo.com/archives/making_money_with_blogs/index.php
[6] http://www.fortune.com/fortune/technology/articles/0,15114,1011763,00.html
[7] http://www.ensight.org/archives/category/business/
[8] http://mondediplo.com/1999/08/05media

2 Comments

  1. Roger wrote:

    Einverstanden, dass einige Blogs Teil der marktwirtschaftlichen Medienlandschaft sind, aber doch längst nicht alle. Ich bin da nicht so pessimistisch:)

    Wednesday, February 2, 2005 at 18:13 | Permalink
  2. Matthias wrote:

    Sorry für die späte Antwort. Ich stimme Dir einerseits zu, andererseits wieder nicht. Mir geht es eher um den Blog-Markt an sich; hier hat in den letzten Jahren eine gewaltige kommerzialisierung stattgefunden. Auch wenn der Einzelne nicht unbedingt Geld verdienen will, ist er doch Teil der grossen Blog-Blase, v.a. wenn er -wie die meisten- einen der Blog-Hosts verwendet, die ja notwendigerweise Geld verdienen müssen.

    Thursday, February 3, 2005 at 21:41 | Permalink